Unterbewusstsein prüft Plausibilität

Das Leben der Anderen, Quelle: Buena Vista International Germany, DIF
Filmszene aus Das Leben der Anderen. (Quelle: Buena Vista International)

Damit Fernsehfilme schlüssig erzählt werden können, lassen sich Redakteure und Produzenten einiges einfallen. So gibt es in München Seminare, in denen Drehbücher auf Plausibilität gecheckt werden. Die Methode basiert auf der Familienaufstellung des Psychoanalytikers Bert Hellinger. Es geht dabei vor allem ums Gefühl – und nicht um Ratio, berichtet unlängst die Stuttgarter Zeitung.

„Denke nicht nach, sondern spüre in dich hinein“

So appelliert die Drehbuch-Aufstellerin an die Kursteilnehmer. Mit diesem Satz zapft die Leiterin das Unterbewusstsein an. Statt über eine Handlung nachzudenken, fühlen die Teilnehmer die Rolle in ihrem Körper. Das Bauchgefühl, die Intuition lässt sie spüren, ob Konstellationen des Drehbuchs realitätstauglich sind. Stimmen Gespür und Text nicht überein, wird der Plot kaum Redakteure, Produzenten und schließlich Zuschauer überzeugen – so die Idee.

Das Leben der Anderen

Bekannter Nutzer solcher Arbeiten ist Florian Henckel von Donnersmarck. Der Regisseur und Filmproduzent hat seinen Oscar gekrönten Film „Das Leben der Anderen“ mittels Aufstellung durchleuchtet. In einem Interview mit der Zeitschrift „Psychologie heute“ erklärt er: „Die Art, wie jemand im Raum steht, enthält fast unbegrenzt viele Informationen.“ Er könne mit den Figuren reden und sie Dinge fragen. Und sie antworten ihm. In aller Ehrlichkeit, aus der Dynamik der Konstellation heraus. Mit diesem System konstruiert Henckel von Donnersmarck vielschichtige Charaktere. Wie einen Hauptmann der Staatssicherheit, den der Zuschauer zwar ablehnt, dessen Sehnsucht nach erfülltem Leben ihn jedoch zugleich sympathisch wirken lässt.

Das echte Leben

Mich erinnern diese Drehbuch-Testläufe an ein Training. Eine Mitarbeiterin hat mit einem Lkw-Fahrer einen (inneren) Disput. Sie fühlt sich von dem Mann abgelehnt, weil er sie am Telefon schroff abblitzen lässt. Den Mut ihm das zu sagen, hat die Disponentin bislang noch nicht gefunden. In einer Prozessarbeit, die ans Psychodrama angelehnt ist, hat sie den Fahrer gestellt.

Im Unterschied zur Drehbuch-Aufstellung arbeiten wir nur mit Botschaften der handelnden Person, der Disponentin. Sie sagt also einem Stellvertreter des nicht anwesenden Kollegen ihre Meinung, ihre Urteile über ihn. Und was sie in diesem Moment fühlt. Sie benennt ihre Wut und Angst. Danach laden wir sie ein, diese Projektionen, die sie auf den Mann wirft, zu sich zurück zu nehmen. Und zu schauen, in welchen Situationen sie in ihrem Leben schroff und ablehnend ist.

Perspektive wechseln

Durch diesen Perspektivwechsel, kann die Disponentin sehen, was in ihr unterbewusst abläuft. Wie sie das Verhalten ihres Kollegen interpretiert – ohne im realen Leben mit ihm geklärt zu haben, dass sie seine Ansprache unangebracht findet. Das ist dann auch der abschließende Wunsch, den sie an den stellvertretenden Fahrer in der Prozessarbeit richtet. „Rede mit mir, wie du angesprochen werden willst“, lautet er. Den wiederum kann sie im Training in Variationen (Tonalität, Körperhaltung, Mimik) üben und bei Gelegenheit dem „echten“ Fahrer sagen.

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