Wie ich meinen Selbstwert steigern kann
Ferdi hat keine Frau. Das schmerzt ihn. Doch bis er den Zusammenhang zwischen seinem Schmerz und der Tatsache sieht, ohne Partnerin zu leben (und keine Kinder zu haben), dauert es. Der 34-Jährige ist Klient beim Lebensberater in Schorndorf und will an einem Nachmittag in einer offenen Gruppe an seinem Selbstwert arbeiten.
Energiefresser
Als wir mit der Prozessarbeit starten, erzählt mir Ferdi aus seinem beruflichen Alltag. Er arbeitet in einem Reisebüro und berät Menschen, die Spezialtrips buchen möchten. In seinem Job sei er sehr beliebt, berichtet Ferdi. Kunden würden ihm immer wieder sagen, dass sie sich gut betreut fühlen. Er gehe sehr gut und individuell auf die Bedürfnisse der Kundschaft ein. Er könne gut zuhören und dann Angebote zusammenstricken, die auch für seinen Arbeitgeber lukrativ sind. In einem Satz: Ferdi ist ein echter Top-Seller.
Doch wenn er nach der Arbeit abends alleine zuhause sitzt, wird er traurig. Denn da ist niemand. Ferdi lebt alleine. „Ich fühle mich deprimiert“, sagt der schlanke Mann in sportlichem Outfit. Sein Wunsch ist es, die Energie, die er im Job spürt, auch in seinem Privatleben zu fühlen. Doch oft gammelt er faul auf dem Sofa, statt raus zu gehen, Sport zu treiben oder sich mit Freunden zu treffen. Das Handy ist dann sein Freizeit- und letztlich sein Energiefresser.
Die Trauer spüren
Als Ferdi das alles berichtet, ist die Trauer in seinen Augen zu sehen. Ich habe eine Vermutung und biete ihm diese an. „Ferdi, um was geht es hier wirklich?“ frage ich den gebürtigen Schwaben. „Geht es um Frauen?“, frage ich weiter. Meine Konfrontation berührt ich. Tränen fließen. Die Trauer überfällt ihn wie ein kalter Schatten. Ferdi berichtet: Er sei ein schlechter Schüler gewesen. Zweimal ist er sitzen geblieben. Sein Dialekt störe ihn. Und es falle ihm schwer Frauen anzusprechen, die ihm gefallen. Ich bestärke ihn, in seinem Gefühl zu bleiben.
Ich frage Ferdi, was ihn in seinem Job erfolgreich macht, was ihn auszeichnet. Aus der Trauer heraus gesprochen fällt in einem Redeschwall der eine Satz: „Wenn ich authentisch bin, bin ich erfolgreich“, sagt Ferdi über sich. Er selbst nimmt diesen Satz kaum war. So tief sitzt er in seinem Inneren, so selbstverständlich er ihn sagen kann, so fremd fühlt sich dieser Satz für Ferdi an. Als ich ihn einlade, nur diesen einen Satz zu sagen, diesen Satz zu betonen und zu genießen, irritiert es ihn. Zuerst stockt er. Ferdi will ihn ausweiten, Prosa drumherum bauen.
„Wenn ich authentisch bin, bin ich erfolgreich“
Doch darum geht es nicht. Denn sein Satz ist genau so richtig, wie er ihn aus seinem tiefsten Gefühl heraus gesagt hat. Richtig und passend für Ferdi. Ich lade ihn ein, diesen Satz zu wiederholen. Ihn anderen Teilnehmern bewusst ins Gesicht zu sagen. „Wenn ich authentisch bin, bin ich erfolgreich!“. Nach einer Runde Satz-sagen und nachspüren, halten wir an. „Stimmt dieser Satz auch für Frauen?“ frage ich ihn. Ferdi nickt.
Das ganze „Drumherum“, das er sich ausdenkt, bevor er eine Frau anspricht, fällt in diesem Moment kartenhausgleich in sich zusammen. Ferdi erkennt, dass er das nicht braucht. Er muss nicht den tollen Typ geben, den Hochdeutschredner oder den Frauenversteher. Es reicht aus, Ferdi zu sein. Im Job und bei den Frauen.